Wozu eine Uhr...?

Im Kielwasser fliesst die Zukunft als Vergangenheit davon
Im Kielwasser fliesst die Zukunft als Vergangenheit davon

„Wozu brauchst Du eine Uhr, wenn Du sowieso keine Zeit hast?“, ein Satz, der mir vor Jahren mal zugeflogen ist. Weiss nicht mehr, in welchem Zusammenhang, wahrscheinlich ging es um Stress und Hektik im Alltag und solchen Kram. Hab' ihn damals aufgeschrieben. Damit ich ihn nicht gleich wieder vergesse. Heute ist er mir plötzlich in den Sinn gekommen. Weil er hier nicht (mehr) stimmt. Und eigentlich heissen müsste: „..., wenn Du soviel Zeit hast?“. Und es ist tatsächlich so: für einen Passagier - also einen, der den ganzen Tag damit beschäftigt ist, nichts zu tun - ist eine Uhr völlig überflüssig. Weil die Zeit irgendwie nicht mehr relevant ist. Gut, die Essenszeiten bringen allenfalls noch so etwas wie Regelmässigkeit in den Alltag. Aber die hat man auch ohne Uhr irgendwann im Gespür: Wenn’s nach Essen riecht, ist’s Zeit. Meistens. Aber sonst? Zeit ist einfach da. Mehr als genug. Zum Lesen. Zum Schreiben. Zum Dösen. Oder, um einfach mal an der Reling zu stehen, aufs dunkelblaue Meer hinaus- oder der weissen Gischt hinterher zu schauen, die dorthin zeigt, wo man mal gewesen ist.

Man könnte darob fast zum Melancholiker werden. Oder zum Philosophen. Oder zu beidem. Wenn die Gedanken plötzlich losfliegen, mal hierhin, mal dorthin, sich im Kreis drehen, Saltos vollführen, sich verknüpfen und Augenblicke später wieder trennen. Und eigentlich möchte man alles festhalten, aufschreiben, um es für die Zukunft zu bewahren. Die Zukunft?  Ist auch so etwas. Die Zukunft liegt da vorne. Vor dem Bug, achtern voraus. Gross und weit und endlos. Wie die Ewigkeit. Und dann kommen wir, fahren mit unserem grossen Schiff darüber hinweg ... und dann ist die Zukunft im gischtigen Kielwasser plötzlich nur noch Vergangenheit. Und sieht trotzdem nicht anders aus, als vorher. Irgendwie komisch - wenn man sich’s so überlegt.

Kommentar schreiben

Kommentare: 1
  • #1

    Thomas K (Mittwoch, 17 Juli 2013 12:58)

    Deine philosophische Ader scheint die Melancholische besiegt zu haben - wunderschöne Gedanken zur Zeit, und zum Nichts, welche sich auf dem glitzernden friedlichen ("pazifischen") Meeresspiegel in alle Richtungen verflüchtigen, in Gischt auflösen. - Zeit hat man nicht, man kann sie sich nur nehmen, ohne Rückgabemöglichkeit.